Was Sie nach vier Monaten Wartezeit bei einer Bearbeitungsgebühr von 489€ vom Heroldstatter Rathaus erwarten dürfen.
In Baden-Württemberg existiert das sogenannte Landesinformationsfreiheitsgesetz. Kurz: LIFG.
Dieses Gesetz ermöglich ALLEN Bürgerinnen und Bürgern – ohne Angabe von Gründen – den Zugang zu behördlichen Informationen. Auskunftspflichtig sind Landesbehörden, Kommunen, Rathäuser und Kammern. Nur in wenigen Fällen darf eine Auskunft verweigert werden.
Beispielweise, wenn es sich um den Schutz privater Daten, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse oder Sicherheitsinteressen handelt.
Unter Berufung auf dieses Gesetz hat eine Heroldstatter Bürgerin den Antrag im Rathaus eingereicht, die Verträge zwischen dem Windpark-Investor Schöller SI und der Gemeinde einzusehen.
Nichts läge näher, schließlich greifen die Windparks (mit 5 Windrädern im Norden, 3 im Osten und jeweils einer Nabenhöhe von mindestens 168 Metern!) gravierend in unseren unmittelbaren Lebensraum ein. Und das für die nächsten 30 Jahre.
Dass Bürgermeister Weber von „Gold und Öl“ spricht, wenn es um die Windparks geht und er die Pachtvorauszahlung für die kommenden Jahre bereits verjubelt hat, ist die eine Sache.
Die Andere ist, dass niemand außerhalb des Gemeinderats weiß, wie der Deal mit dem Windparkinvestor aussieht bzw. was er alles beinhaltet. Lediglich von „zweistelligen Millionenbeträgen“ und der „glorreichen Zukunft von Heroldstatt“ war die Rede. Die Bürgerinnen und Bürger werden maximal im Dunkeln gehalten. Wer nichts weiß, muss alles glauben.
Fragen bzgl. der Verträge gäbe es mehr als genug. Beispielsweise:
Wieviel Hektar der Gemeindefläche wurden an Schöller SI verpachtet? Zu welchen Konditionen? Wie hat sich die Gemeinde für den Fall abgesichert, falls der Investor den Windpark verkauft oder den Firmensitz in Heroldstatt abmeldet? Stichwort: Gewerbesteuer und Verhandlungsposition. Sind im Lauf der Jahre weitere Windräder geplant?
Des Weiteren kommt hinzu, dass hier ein privater Großinvestor Millionen-Geschäfte mit der öffentlichen Hand macht. Sie fragen sich jetzt sicher, ob das Landesinformationsfreiheitsgesetz auch in Heroldstatt gilt und auch für Schöller SI?
Was jetzt folgt, ist ein insgesamt 27 Seiten langer Schriftverkehr zwischen der Heroldstatter Bürgerin und dem Rathaus. Gespickt mit komplexen Paragraphen und gerichtlichen Fallbeispielen, bei denen jeder Otto Normalverbraucher sofort ausgestiegen wäre. Sollten Sie Zeit, Interesse und Muße haben, finden Sie den kompletten Schriftverkehr hier: https://fragdenstaat.de/a/325433
Hier die Kurzform der Korrespondenz:
10. Januar 2025
Die Bürgerin reicht den oben genannten Antrag über die Internet-Plattform FragDenStaat.de ein. Dies ist ein gemeinnütziges Online-Portal, welches Bürgerinnen und Bürger dabei unterstützt, ihr Recht auf Zugang zu amtlichen Informationen durchzusetzen. Laut Gesetz ist jeder Verwaltungsapparat dazu verpflichtet, innerhalb von 4 Wochen auf Anfragen zu antworten.
28. Januar 2025
Die Gemeinde antwortet und teilt mit, man werde die Frist um 3 Monate verlängern, da die Interessen Dritter (Schöller SI) zu wahren sind.
30. Januar 2025
Die Gemeinde teilt mit, dass eine Herausgabe der Verträge nun geprüft wird. Zitat: „Sobald die Prüfung abgeschlossen ist, werden die nicht schützenswerten Informationen selbstverständlich bereitgestellt.“
08. April 2025
(3 Monate später) Die Gemeindeverwaltung besteht auf die Herausgabe einer Postanschrift, um die Identität der Antragstellerin zu klären und ggf. anfallende Kosten in Rechnung stellen zu können. Die Bürgerin teilt ihren Namen und die Postanschrift mit.
10. April 2025
Die Gemeinde teilt mit, das die Frist zur Bearbeitung des Antrags erst mit der Vollständigkeit der Unterlagen beginnen kann. Gemeint ist hier die vollständige Indentität der Antragsstellerin inklusive Postanschrift. Mit diesem bürokratischen „Kniff“ soll die Frist nun um weitere 3 Monate verlängert werden.
Hier stellt sich die Frage: Was ist eigentlich seit dem 10. Januar passiert? Nun verweist die Verwaltung auf die Gesamtkosten, welche laut § 10 LIFG zwischen 200€ und 500€ betragen können, je nach Aufwand. Zitat: „Bitte teilen Sie uns bis spätestens 24.04.2025 mit, ob Sie unter Berücksichtigung dieser Informationen die Weiterverfolgung Ihres Antrags wünschen oder Ihren Antrag kostenfrei zurückziehen.“
14. April 2025
Die Bürgerin teilt mit: „Ich erkläre, dass ich meinen Antrag auf Informationszugang gemäß § 7 LIFG BW auch unter Berücksichtigung der angekündigten Kosten weiterverfolgen möchte.“ Da die Verzögerungstaktik selbst für einfache Gemüter offensichtlich ist, informiert die Bürgerin den Landesbeauftragen für Datenschutz in Stuttgart über das Verhalten des Heroldstatter Rathauses.
06. Mai 2025
Die Bürgerin erhält das Schreiben, welches hier vollständig angehängt ist. Dessen Inhalt in Kurzform: Das Rathaus lehnt den Antrag auf Herausgabe der Verträge vollständig ab. Selbst eine Version mit geschwärzten Stellen wird verweigert.
Begründet wird die Ablehnung mit einem beigefügten Schreiben von Schöller SI, in welchem die Rede von „exklusivem, kaufmännischem Wissen“ ist. Dieses sei unmöglich vom Rest des Vertrages zu trennen. In besonderem Maße gelte dies für die Absichtserklärung bezüglich des Erwerbs der Ökopunkte. Diese war zwar gar nicht angefragt, scheint aber für Schöller SI ganz besonderer Geheimhaltung zu bedürfen. (Frage am Rande: Ökopunkte werden in Stuttgart aktuell zu Höchstpreisen gehandelt, wie hoch ist der Preis für Schöller SI?)
Das traurige Fazit für die Heroldstatter Bürgerin:
Bearbeitungskosten von 489 Euro für null Ergebnis bei 4 Monaten Wartezeit. Dieses Ergebnis spricht für sich. Das muss man in Anbetracht der Situation erstmal auf sich wirken lassen.
Unsere Meinung:
Die pauschale Behauptung, das „exklusive, kaufmännische Wissen“ der Firma Schöller SI bedürfe unbedingt dringend der Geheimhaltung, um auf dem Markt konkurrenzfähig zu bleiben, ist in dieser Allgemeinheit keinesfalls haltbar.
Diese simple Argumentation würde logischerweise das gesamte Landesinformationsfreiheitsgesetz ad absurdum führen. Insbesondere im Kontext der Nutzung öffentlicher Flächen für privatwirtschaftliche Projekte kann hier nicht jede betriebswirtschaftliche Zahl unter Geheimnisschutz gestellt werden.
Besonderes beängstigend ist, dass unser Rathaus den eigentlichen Sachverhalt gar nicht erst geprüft zu haben scheint, so wie es der Gesetzgeber vorschreibt. Sprich, dass geprüft wurde, welche Auszüge aus den Verträgen, ggf. auch GEGEN den Willen der Schöller SI, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden MÜSSEN.
Clever wie man im Heroldstatter Rathaus ist, lässt man den Windparkinvestor die Ablehnung juristisch ausformulieren und übernimmt dessen Expertise Eins zu Eins in der Absage. Fragen Sie doch mal einen Fuchs, ob der Bauer die Tür zum Hühnerstall während der Nacht schließen oder offenlassen soll.
Sieht so die Transparenz aus, von der unser Bürgermeister pausenlos spricht?
Ein vergleichbar unverschämtes Verhalten gegenüber den Bürgern wäre mir aus keiner anderen Gemeinde bekannt. Grotesker geht es kaum.
Wobei … Für die Bereitstellung der Rechnungen für unsere Akteneinsicht, die wir am 20.12.2024 beantragt hatten, hat die Verwaltung 30 Stunden abgerechnet. Dies verkündet BM Weber im Gemeindeblatt vom 08. Mai, wohl um uns den schwarzen Peter als „Verursacher der Kosten“ in die Schuhe zu schieben.
Aus welchen Gründen wir den Antrag zurückgezogen haben, wird Ihnen Bürgermeister Weber bestimmt liebend gerne und ausführlich erläutern. Denn passiert ist das Ganze selbstverständlich mal wieder in einer nichtöffentlichen Sitzung.
Autor: Thomas Salzmann



